Reviewing Putumayo India

TheInder.Net magazine asked me if I could write a review about the India compilation from the Putumayo series. Sorry but there’s only a German version so far:

„Wer kennt sie nicht – die tollen Putumayo CDs.

Warte, ich helfe Dir auf die Sprünge. Es handelt sich um die Compilations, die im Laden meist unter dem Schild Weltmusik als kleine farbenfrohe Armee aus Quadraten ins Auge fallen. Beim ersten Blick auf die liebevoll illustrierten Covers mag man zwar meinen, dass es sich um eine Multikulti-Kinderversion der Hed Kandi Sampler handeln könnte, doch sobald man die Kopfhörer aufsetzt und reinhört, wird schnell klar, dass man sich hier auf erwachsenen und sorgfältig zusammengestellten Ethno-Sound freuen darf.

Nach erfolgreichen Publikationen in der Asien-Sparte mit den CDs Asian Groove und Asian Lounge verkauft das Label nun India. Ja, es ist wohl nicht ganz unkompliziert, ein Produkt nach einem Land zu benennen, vor allem wenn es sich anscheinend um eine representative Musikauswahl handeln soll und man sich als Thema eine der vielfältigsten Kulturen der Welt ausgesucht hat.

Obwohl der Titel bei kritischen Musikliebhabern eine gewisse Skepsis auslösen mag, bin ich mir sicher, dass den meisten Zuhörern diese interessante Zusammenstellung aus indischer Musik sehr gut gefallen wird. Ein Grund dafür ist meiner Meinung nach, dass die zunächst etwas willkürlich erscheinende Auswahl der zehn Titel die Gesamtwirkung des Albums in einem erstaunlichen Gleichgewicht hält. Und zwar folgendermaßen: Vier eher durchschnittliche, nicht ganz so zeitgemäß klingende Bollywood-Titel treffen auf vier solide Stücke, welche durch die Klasse der jeweiligen Instrumentalisten bzw. Sänger überzeugen. Dann trifft noch ein völlig deplazierter Esotherik-Titel auf einen überragenden Ghazal-Jazz-Folklore Song, der dem Album das nötige Etwas verpasst.

Los geht’s mit der relativ schwermütigen Bollywood-Ballade Zara Zara aus dem Jahre 2001. Diesen Track hätte ich nicht unbedingt an erste Stelle platziert, da die Soundproduktion, über welche die karnatische Sängerin Jayashri mit wundervoller Stimme dahergleitet, sich nach guten acht Jahren verständlicherweise nicht mehr ganz so aktuell anhört.

Der zweite Track Kwaahb ist hingegen eine ziemlich neue Produktion vom aktuellen Niraj Chag Album Along the Dusty Road. Zwar ist die in London lebende Swati Natekar nicht ohne Grund eine gefragte Sängerin in der Fusion-Szene, doch in Chags Komposition wirkt Natekars Stimme ungewohnt zerbrechlich und etwas zu hoch, vor allem im Vergleich zum vorherigen Song.

Naino Sey ist ebenfalls ein recht aktuelles Stück, welches bei einer Kollaboration zwischen Jazz-Komponist Sanjay Divecha und dem bekannten Sufi-Sänger Kailash Ker enstanden ist – eine brilliante Kombiniation aus feinfühligem Gitarrenspiel und indischem Soulgesang.

Shiva was auch immer von Uma Mohan ist der zuvor erwähnte Eso-Titel, den man am liebsten überspringt, im Gegensatz zu Homeward Journey – ein zauberhaftes semi-klassisches Stück von Santoor-Meister Satish Vyas. Ich konnte zwar nicht herausfinden, wo Vyas aufgewachsen ist, doch der Melodie nach zu urteilen, handelt es sich um eine musikalische Heimreise in ein nostalgisches Fischerdorf irgendwo in Süd-Indien.

Der nächste Song Tere Bina wurde zwar von A.R. Rahman aka Oscarahman produziert, doch ohne die visuelle Bereicherung durch eine tanzende Aishwarya wirkt dieses Stück recht unspektakulär, wobei man die Bollywood-untypische Stimme von Sänger Chinmayee dennoch zu schätzen weiss. Da wir gerade dabei sind, Track Nummer zehn ist ebenfalls ein Bollywood-Titel. Maavan Te Tiyan aus dem Jahre 2004 weist zu Beginn überraschenderweise elektronische Züge in Form von sanften Breakbeats auf, wobei diese leider nicht weiter ausgebaut werden und schnell in den Hintergrund geraten, sobald Schauspielerin(!) Rajeshwari Sachdev anfängt zu singen.

Aber nun zurück an die siebte Stelle zum Song Nagumomo. Vor einigen Jahren kannte Ihre charakteristische Stimme noch kaum jemand, doch heute gehört Susheela Raman zu den Diven der Weltmusik, auch wenn Sie selbst nicht viel mit dem Begriff Worldmusic anfangen kann. Dieser wahrlich zeitlose Akkustiksong stammt aus Ramans Debütalbum Salt Rain aus dem Jahre 2001 und ist wohl der erste Telugu-Song mit Latin – Instrumentierung, den man je gehört hat. Selbstverständlicher kann Fusion-Musik nicht klingen.

Das nächste Stück Ganesh von Deepak Ram ist weiterer Balsam für die Ohren. Der Bansuri-Virtuose kreiert mit seiner dynamischen aber extrem gelassenen Spielweise eine entspannte Dramaturgie, welche durch weitere akkustische Instrumente aufgegriffen wird.

Nun zum Favoriten Vo Kuch von Newcomerin Kiran Ahluwalia. Auch wenn hier das Spinnrad nicht neu erfunden wird, setzt sich dieses Stück der Indo – Kanadierin durch seine freie und frohe Natur klar von der weitgehend melancholischen Gesamtstimmung der Compilation ab. Jazziges Gitarrenzupfen und treibende Tablabeats in Kombination mit verspielten Harmoniumklängen bereiten den idealen Klangteppich für den traditionellen Ghazal-Gesang von Ahluwalia. Innerhalb der ersten Minute spürt man bereits den Spaß und Groove, den man bislang vermisst hat – Musik, die den Optimismus und das Selbstbewusstsein des heutigen, grenzenüberschreitenden Indiens ausstrahlt.

Für mich gibt es definitv genug Gründe, India weiterzuempfehlen und dankend in meine Musiksammlung aufzunehmen, obwohl sich dort bereits sehr viel Indien wiederfindet. Was mir derzeit fehlt, ist gute Musik aus der adoptierten Heimat. Also liebes Putumayo-Label, wann bringt Ihr endlich Deutschland raus?“